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Das Blockchaingesetz – eine Zwischenbilanz

Mit dem Gesetz über Token und VT-Dienstleister (TVTG) hat Liechtenstein die weltweit erste umfassende rechtliche Grundlage für viele denkbare Anwendungen der Blockchain im Finanzsektor und in der Gesamtwirtschaft umgesetzt. Thomas Dünser, Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation, zieht eine Zwischenbilanz.

Das Gesetz wurde weltweit mit grosser Aufmerksamkeit aufgenommen. Auch viele ausländische Regierungsvertreter haben das Gesetz mit Interesse gelesen, weil letztlich alle Staaten vor derselben Herausforderung stehen. Das liechtensteinische TVTG ist deshalb besonders interessant, weil es nicht primär auf die ersten bekannten Anwendungen von Blockchain (z.B. Kryptowährungen, Krypto-Assets, virtuelle Assets oder Security Token) zielt, sondern einen neuartigen Ansatz präsentiert, wie man mit den vielen weiteren zukünftigen Anwendungen, wie z.B. tokenisierten Rechten an Sachen, umgehen kann. Damit erhalten alle Anwendungen mit Token eine umfassende zivilrechtliche Rechtssicherheit. Dieser Regulierungsansatz hat auch die Marktvertreter aus der ganzen Welt stark interessiert. Zudem hat Liechtenstein es mit der TVTG-Vorlage ermöglicht, Wertpapiere, wie z.B. Aktien, durchgängig digital zu erzeugen (sog. Wertrechte), so dass Liechtenstein für die sogenannten Security Token ideale Bedingungen bietet.

Zivilrechtliche Grundlage für Token

Mit dem TVTG hat Liechtenstein nicht nur die erste umfassende zivilrechtliche Grundlage für Token geschaffen, sondern auch klargestellt, welche Token unter den Geltungsbereich der Finanzmarktgesetze fallen. Dieser Ansatz, den wir «Token Container Modell» nennen, besagt, dass nicht die Tokenisierung über die rechtliche Einordnung bestimmt, sondern das im Token repräsentierte Recht resp. Instrument. Wenn also ein Finanzinstrument in einem Token repräsentiert wird, dann sind die entsprechenden Finanzmarktgesetze grundsätzlich anwendbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Token, die keine Finanzinstrumente repräsentieren, auch nicht zwingend durch die Finanzmarktgesetze reguliert sind. Diese Abgrenzung ist sehr wichtig für die Entwicklung der Anwendungen der Blockchain ausserhalb der Finanzdienstleistungen. Die Unsicherheit über die rechtliche Qualifikation von Token vor der Einführung des TVTG hat die Innovationskraft deutlich behindert.

Rechts- und Planungssicherheit

Um den Anlegerschutz und die Einhaltung der Sorgfaltspflichten sicherzustellen, hat Liechtenstein mit dem TVTG auch eine Registrierungserfordernis für Dienstleister eingeführt, unabhängig von der Ausgestaltung der Token. Dies war wichtig, da die Abgrenzung vom Finanzmarkt durch das «Token Container Modell» ansonsten bewirkt hätte, dass wichtige Dienstleistungen im Zusammenhang mit Token nicht reguliert gewesen wären. Deshalb liegt jedoch die Hürde für den Markteintritt höher als in vielen anderen Staaten, in denen Dienstleistungen rund um Token noch weitgehend unreguliert sind. Das TVTG – und damit der Standort Liechtenstein – ist deshalb für Unternehmen interessant, die Rechts- und Planungssicherheit schätzen und sich bewusst als «regulierter VT-Dienstleister» ihren Kunden präsentieren wollen. Privatpersonen und Unternehmen, die eine möglichst geringe Eintrittsschwelle wünschen, haben dadurch eher Mühe mit dem TVTG. Es war jedoch im Jahre 2016 schon klar, dass sich die internationale Regulierung, insbesondere auch die Standards in den Bereichen der Geldwäscherei- und Terrorismusfinanzierungsbekämpfung sowie der internationalen Steuerkooperation relativ rasch entwickeln und bald auch Blockchain-Anwendungen umfassen werden. Liechtenstein engagiert sich in allen wichtigen internationalen Foren zur Entwicklung der praktischen globalen Standards in diesen Bereichen. Es gehört zum Selbstverständnis von Liechtenstein, solche Entwicklungen im Sinne der Rechtssicherheit für Unternehmen – wenn nötig – vorweg zu nehmen. Unternehmen, die sich (vielleicht aufgrund des TVTG) schon frühzeitig mit erhöhten regulatorischen Anforderungen auseinandergesetzt haben, sind dadurch einen Schritt voraus und werden es in Zukunft leichter haben.

TVTG bereits heute als Erfolg zu werten

Derzeit sind zwei Unternehmen als VT-Dienstleister registriert, rund 16 Registrierungsverfahren sind im Gange. Ich werde häufig gefragt, ob diese Registrierungsanzahl den Erwartungen der Regierung entspricht und ob das Gesetz als Erfolg zu werten ist. Um diese Frage zu beantworten, muss ich ein wenig ausholen. Mit dem TVTG und anderen Massnahmen hat die Regierung in die für die Zukunft wichtigen Ressourcen investiert: Innovation in oder nahe dem Finanzsektor benötigt ein besonderes Mass an Rechtssicherheit. Das TVTG soll alle Unternehmen, aus dem etablierten Finanzbereich als auch Startups, dazu motivieren, sich mit den neuen Möglichkeiten der Blockchain auseinanderzusetzen. Bereits die Begriffswelt des TVTG schafft einen gemeinsamen Kommunikationsrahmen, der sehr wertvoll ist. Innovation benötigt jedoch auch Know-how, und zwar eine spannende und spannungsvolle Verbindung zwischen Ökonomie, Rechtswissenschaften und Technologie. Das TVTG unterstützt und fördert die Entwicklung eines Fintech- und Blockchain-Ökosystems. Dieses Netzwerk besteht aus Unternehmen, Beratern, der Forschung und den Behörden, die sich vertieft und praxisnah mit allen Fragestellungen rund um Blockchain auseinandersetzen. Zudem hat das TVTG den Behörden wirksame Instrumente in die Hand gegeben, um Missbrauch zu verhindern und so die positive Entwicklung zu fördern. In diesem Sinne ist das TVTG bereits heute als Erfolg zu werten.

«Austausch mit dem Regulierungslabor der FMA ist wichtig»

Der aufsichtsrechtliche Teil des TVTG ist im Spannungsfeld zwischen Anlegerschutz, Missbrauchsbekämpfung und Innovationsförderung formuliert. Die Regierung hat bewusst die Anforderungen an VT-Dienstleister so definiert, dass sich auch Kleinunternehmen oder risikoarme Geschäftsmodelle mit einem angemessenen Aufwand registrieren können. Da das TVTG als gesetzliche Grundlage für die Token Ökonomie formuliert wurde, deckt es zwangsläufig eine sehr breite Palette an Geschäftsmodellen ab.  Da die Entwicklung der Token Ökonomie derzeit noch ganz am Anfang steht, ist das TVTG zudem bewusst offen, innovationsfreundlich, prinzipienbasiert und technologieneutral formuliert. Die Regierung zielte auf ein mittel- bis langfristig stabiles Gesetz, das nicht bei jedem kleinen Innovationsschritt wieder grundlegend überarbeitet werden muss. Die Anwendung des TVTG in der Praxis ist deshalb anspruchsvoll und bedingt einen intensiven Austausch zwischen Behörden, Experten und Unternehmen. Die Entwicklung einer soliden Amtspraxis kann nur auf einem vertieften Verständnis der Technologie und der konkreten Ausgestaltung von Geschäftsmodellen gelingen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass der Prozess bewusst ausgestaltet ist und alle Beteiligten, d.h. Behörden, Marktvertreter und Regierung, miteinbezieht. In den letzten Jahren wurde viel Energie in den Auf- und Ausbau dieses Prozesses investiert, neben dem Aufbau des allgemeinen Registrierungsprozess im Rahmen des TVTG. Für Unternehmen, die sich als VT-Dienstleister registrieren lassen wollen, ist es wichtig, dass sie den übergeordneten Prozess kennen und sich aktiv einbringen. Insbesondere ein direkter Austausch mit dem Regulierungslabor der FMA ist wichtig, um eine Registrierung zügig und effizient erfolgreich vornehmen zu können.

Direkte Dialog zwischen Markt und Behörden

Für die Regierung ist die Rückmeldung der Marktteilnehmer zum TVTG sehr wichtig. Wenn sich herausstellen sollte, dass das Gesetz oder die Amtspraxis für gewisse Anwendungen zu einschränkend oder unklar ist oder sich Geschäftsmodelle nicht wirtschaftlich betreiben lassen, muss dies in die Weiterentwicklung des Gesetzes oder der Amtspraxis einfliessen. Dabei muss jedoch die Balance zwischen Anlegerschutz und Verhinderung von Missbrauch gewahrt bleiben. Die konkrete Entwicklung der Token Ökonomie in Liechtenstein hängt jedoch von vielen weiteren Faktoren ab, wie z.B. die umfassende Rechtssicherheit. Genau in diesem Punkt haben viele Fintech- und Blockchainunternehmen eine steigende Unsicherheit im Zusammenhang mit der Finanzmarktregulierung erfahren. Diese hängt zwar nicht direkt mit dem TVTG zusammen, da das TVTG komplementär zu den Finanzmarktgesetzen konstruiert wurde. Viele aktuelle Blockchain-Anwendungen tangieren jedoch die Finanzmarktgesetze, wie z.B. Security Token-Anwendungen. Die Technologie ermöglicht sehr viel spannende und innovative Anwendungen, die bisher nicht möglich waren. Dadurch steigt aber auch die Komplexität in der Abgrenzung zum Finanzmarkt, die manchmal sogar von der konkreten Ausgestaltung des Softwarecodes abhängt. Parallel dazu entwickelt sich die europäische oder internationale Auslegung der Finanzmarktgesetze stetig weiter und kann so die Einschätzung einer Unterstellung unter dem Finanzmarkt mit der Zeit verändern. Eine weitere Komplexitätsebene öffnet sich im grenzüberschreitenden Bereich, da sich die Auffassungen nationaler Behörden betreffend Einordnung und Klassifikationen weiterhin unterscheiden. Durch diese Entwicklungen erhöhen sich auch die Rechtsunsicherheiten für gewisse Blockchain-Unternehmen. Die Konsequenzen bei Zuwiderhandlung gegen die Finanzmarktgesetze, sei es bei unwissentlicher Übertretung des Geltungsbereichs oder bei unpräziser Kommunikation, können erheblich sein. Einen Lösungsansatz im Hinblick auf diese Herausforderungen stellt der direkte Dialog zwischen dem Markt und den Behörden dar. Liechtenstein hat deshalb in den letzten Jahren viel in die Ressourcen und Prozesse investiert, insbesondere das Regulierungslabor bei der FMA und die Stabsstelle für Finanzplatzinnovation, um sich diesen Herausforderungen proaktiv und effektiv zu stellen.

«Digital Finance Package»: Herausforderungen der Abgrenzung zum Finanzmarkt

Kürzlich hat die EU-Kommission das «Digital Finance Package» veröffentlicht, das unter anderem verschiedene Regulierungsvorschläge enthält. Mit diesen Vorschlägen ging die EU-Kommission auch auf die Herausforderungen der Abgrenzung zum Finanzmarkt ein und schlägt Lösungen vor, wie DLT-Anwendungen in der Finanzmarktregulierung berücksichtigt werden sollten. Zum Beispiel werden durch die EU-Kommission die Behandlung von «Stable Coins» geklärt und klargestellt, welche Stable Coins als E-Geld zu qualifizieren sind. Für andere Typen von Stable Coins wird eine neue Regulierungskategorie («Asset-Referenced Tokens») eingeführt. Bei den Security Tokens soll neu die Möglichkeit bestehen, über DLT-MTF, den Sekundärhandel so zu gestalten, dass die Potentiale der Blockchain auch genutzt werden können. Diese Vorschläge der EU-Kommission sind sehr positiv zu werten, da sie einen klaren Rahmen für die Entwicklung der Blockchain in finanzmarktnahen Anwendungen zusammen mit der Möglichkeit zum EU-Passporting schafft. Dadurch wird die bestehende Rechtsunsicherheit abgebaut und die Entwicklung dieser und weiter Anwendungen beflügelt werden.

Autor

Thomas Dünser

Thomas Dünser is Head of Office for Financial Market Innovation of the Liechtenstein Government and has led the Blockchain Regulation Project (TVTG). He has been working for the Government for more than seven years. Before that he held leading positions in banking, industry and consulting. The Office for Financial Market Innovation supports companies close to the financial market in questions concerning the governmental framework and innovation.