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Wie ein Finanzplatz langfristig erfolgreich bleiben kann

Die Bedeutung der privatwirtschaftlichen Innovation wird gegenüber den nationalen Standortvorteilen immer weiter steigen. Liechtenstein fördert die Innovation am Finanzplatz mit einem staatlichen Framework.

Von Thomas Dünser, Leiter Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtenstein

Die Geschäftsmodelle der heutigen Finanzintermediäre sind das Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses, der davon geprägt war, dass die notwendige Technologie sehr teuer und aufwendig war und Finanzplätze durch attraktive Gesetzgebung einen wesentlichen Standortvorteil bieten konnten.

Seit 2009 lässt sich ein Paradigmenwechsel erkennen: Die Stärkung der internationalen Standards hat die Bedeutung traditioneller, nationaler Standortvorteile stark reduziert. Seither spielt die unternehmerische Leistung eines Finanzintermediärs eine deutlich stärkere Rolle. Mit der Erfindung von Bitcoin sind zudem die technologischen Basiskosten für die Erbringung von Finanzdienstleistungen markant gesunken.

Stärkerer Wettbewerb durch die Blockchain

Die Blockchain-Technologie ist nicht isoliert zu betrachten. Sie fördert die Bedeutung der anderen Digitaltechnologien im Wettbewerb der Finanzintermediäre, da dank ihr neue Anwendungen erschaffen werden können, die bisher eine schwerfällige Anpassung der Basisinfrastruktur erforderlich gemacht hätte.

Diese Vorteile nutzen selbstredend auch neue Player (Fintechs). Der Wettbewerb ist jedoch nicht nur national grösser: Dank der digitalen Technologien sind Finanzdienstleistungen grundsätzlich weltweit anbietbar. Dies fördert die Spezialisierung und Skalierung von neuen Geschäftsmodellen.

Für Finanzintermediäre ist Innovationsfähigkeit in Zukunft «überlebenswichtig».

Regulierung ist oft innovationsfeindlich

In einem hochregulierten Umfeld wie dem Finanzmarkt ist Innovation stark erschwert. Gesetze bilden jeweils den damaligen «Stand der Technik» ab, regulieren also meistens die bekannten Geschäftsmodelle und Prozesse. Innovation bedeutet jedoch die Schaffung von neuen Geschäftsmodellen, von effizienteren Prozessen oder neuen Anwendungen.

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass neue, effizientere und bessere Prozesse nicht umsetzbar sind, da die Gesetze sich auf «alte» Prozesse beziehen. Viel häufiger stellt jedoch die fehlende Klarheit über den Geltungsbereich und Anwendung der Finanzmarktgesetze innovative Unternehmen vor grosse Hürden, Herausforderungen und Risiken.

Dilemma der Aufsichtsbehörden

Die Auslegung des Geltungsbereichs von Finanzmarktgesetzen fällt traditionell in die Kompetenz von Finanzmarktaufsichtsbehörden, doch das Ausmass der Innovation, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, liess ein enormes Spannungsfeld entstehen.

Behörden müssen deshalb notgedrungen de facto in die Rolle des Gesetzgebers schlüpfen und entscheiden, ob ein innovatives Geschäftsmodell reguliert ist oder nicht. Das Instrumentarium der Behörden ist minimal, die Konsequenzen jedoch ungleich dramatisch: Mit der Entscheidung, dass die Finanzmarktgesetze anwendbar sind, unterbindet die Behörde potentiell gute Innovationen.

Im anderen Fall setzt sie sich selbst einem Risiko aus, falls zum Beispiel Anleger geschädigt oder die Geldwäschegesetze verletzt werden würden.

Staatliches Innovations-Framework

Privatwirtschaftliche Innovation am Finanzmarkt bedingt eine raschere Rechtsentwicklung, also einen staatlichen Innovationsprozess für das Finanzmarktrecht. Liechtenstein hat das «Innovations-Framework» bereits im Jahr 2015 aufgebaut, um eine moderne Antwort auf diese Problematik zu liefern.

Im Zentrum steht die Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) mit der Aufgabe, Innovation(nen) zu fördern und entsprechende Prozesse bereitzustellen. Sie stellt einen «Bottom-Up» Innovationsprozess zur Verfügung («Innovations-Club»), dank dem jedes Unternehmen schnell und effizient Innovationsideen einbringen kann und übernimmt so dann die Erstabklärung und schliesslich die Umsetzung. Sie fungiert auch als zentraler Ansprechpartner für innovative Unternehmen, um frühzeitig neue Entwicklungen zu erkennen, und die Unternehmen bei der Umsetzung zu unterstützen.

Ergebnis eines Innovations-Frameworks

Die Erfahrung und Erfolgsbilanz der letzten sieben Jahre zeigt, dass sich das Innovations-Framework sehr bewährt. Es wird durch etablierte Finanzintermediäre genauso genutzt wie durch Start-ups. Die Innovationsideen, die eingebracht werden, sind sehr vielseitig, von technologiebasierten Anwendungen bis hin zu Problemen des traditionellen Finanzplatzes.

Ein bekanntes Ergebnis dieses Frameworks ist das sogenannte Blockchain-Gesetz (TVTG), mit dem Liechtenstein gezeigt hat, dass es frühzeitig relevante Themen erkennen und zukunftsweisende Rechtsgrundlagen schaffen kann.


Thomas Dünser ist Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation und Digitalisierung (SFID) des Fürstentums Liechtenstein und Autor. Er war zuvor Berater des Regierungschefs im Ministerium für Präsidiales und Finanzen und in dieser Rolle unter anderem für den Aufbau des Innovations-Frameworks als auch das Blockchain-Gesetz verantwortlich. Er hält Vorträge und publiziert regelmässig über Blockchain aus der staatlichen Perspektive, wie «Legalize Blockchain» und «Stable Money».

Autor

Thomas Dünser

Thomas Dünser arbeitet für die liechtensteinische Regierung und ist Leiter der Stabsstelle für Finanzplatzinnovation. Er hat die Entwicklung und Umsetzung des Blockchain-Gesetzes (TVTG) geleitet.